Offener Brief an Thüringer Justizminister Adams in Sache der Gefangenen

Abs. GG/BO-Soligruppe Jena
c/o Infoladen Jena
Schillergässchen 5
07745 Jena

Empf. Dirk Adams
Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz
Werner-Seelenbinder-Straße 5
99096 Erfurt

Jena, 20. März 2020

Sehr geehrter Herr Adams,

gedrängt von den Gefangenen und ihren Angehörigen wenden wir, die Solidaritätsgruppe Jena der Gefangenen-Gewerkschaft, eines bundesweiten Zusammenschlusses von Gefangenen, an Sie als Justizminister Thüringens.

Angesichts der Coronakrise müssen dringende Maßnahmen zur Rettung von Leben ergriffen werden – das gilt umso mehr für die Gefangenen. Wir haben bereits erklärt: „Haftanstalten sind aufgrund der menschlichen Enge Infektionsherde; die Gefangenen sind aufgrund zahlreicher Vorerkrankungen und angeschlagener Gesundheit eine Risikogruppe; und sie leiden schon unter Normalbedingungen unter einer medizinischen Unterversorgung.“ Die medizinischen Dienste der JVA’s sind einer Epidemie im Strafvollzug nicht gewachsen. Das macht Haftanstalten, wie die GG/BO erklärt hat, zu „eine Art Pulverfass“.

Ihr Ministerium hat gestern folgende Maßnahmen bekannt gegeben: Sie verbieten bis 19. April 2020 alle Besuche, Ausgänge und Lockerungen. Gleichzeitig haben Sie die Jugendarrestanstalt (JAA) geschlossen und die Vollstreckungen von Ersatzfreiheitsstrafen aufgeschoben.

Diese Herangehensweise halten wir für falsch.

  1. Die Einschränkung von Gefangenenrechten auf Besuche und Ausgänge bietet keinen wirskamen Schutz, sondern führt nur zu noch mehr Isolation und psychologischer Zerrütung unter den ohnehin gesellschaftlich abgeschnitteten Gefangenen. Das Virus wird so oder so über Neuzugänge und das Personal in die JVA’s getragen.
  2. In Ihrer Stellungnahme danken Sie den Beamten und informieren die Öffentlichkeit. Die Gefangenen und ihre Angehörigen berichten uns dagegen täglich in Anrufen von Intransparenz und dem Vorenthalten von Informationen. Sie haben große Sorgen und Unsicherheiten und brauchen Transparenz.
  3. Es ist jetzt angebracht, noch viel weiter zu gehen als die JAA zu schließen und Ersatzfreiheitsstrafen auszusetzen. Es geht jetzt darum, die Gefangenen massenhaft zu entlassen. Diese Forderung wird vertreten von den Gefangenen, ihren Angehörigen (siehe hier und hier), den Solidaritätsgruppen der GG/BO, in einem offenen Brief von über 42 NGO’s und Organisationen in Europa. Einige Bundesländer haben bereits begonnen, Gefangene zu entlassen, und in Niedersachsen wurde die Abschiebehaftanstalt geschlossen.

Im Namen der Gefangenen und Angehörigen fordern wir Sie dazu auf, zu handeln und Leben zu retten: Nehmen Sie das Verbot von Besuchen, Lockerungen und Ausgängen zurück, informieren Sie die Gefangenen umfassend zu und entlassen Sie sie!

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  • Als Solidaritätsgruppe der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organiation (GG/BO) in Jena unterstützen wir inhaftierte Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen und staatlich Verfolgte in verschiedenen Haftanstalten, vor allem in Thüringen und Sachsen. Andere Soli-Gruppen gibt es in Leipzig und Köln.