Aufruf der GG/BO-Soligruppe Jena zur Kundgebung vor dem Jenaer Arbeitsamt am 2. September 2017
Ort: Arbeitsamt Jena, Stadtrodaer Straße 1, 07743 Jena
Zeit: Samstag, 2. September 2017, ab 10 Uhr
Als Solidaritätsgruppe der Gefangenen-Gewerkschaft in Jena rufen wir für den 2. September von 10 bis 13 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Arbeitsamt in der Stadtrodaer Straße auf. Wir wollen damit auf die Diskriminierung von ex-Gefangenen durch die Bundesagentur für Arbeit hinweisen und unseren Kollegen, einen betroffenen Gefangenen, in seiner Klage vorm Bundessozialgericht in Kassel unterstützen.
Arbeitslose müssen innerhalb von zwei Jahren ein Jahr Arbeit nachweisen, um ALG I zu bekommen. Bei einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis werden dabei alle Tage von Beginn bis Ende des Arbeitsverhältnisses zusammengezählt, d.h. auch Samstage, Sonn- und Feiertage. So war das auch bei ex-Gefangenen, die hinter Gittern gearbeitet haben. Seit 2012 allerdings gibt es eine Anweisung der Bundesagentur für Arbeit an die JVAs, bei der Berechnung der gearbeiteten Tage Samstage, Sonn- und Feiertage abzuziehen. Während allen anderen Arbeiter_innen also pro Woche 7 und pro Jahr 365 Tage berechnet werden, kommen ex-Gefangene pro Woche nur auf 5 und pro Jahr nur auf 260 gearbeitete Tage. Das bedeutet, dass ex-Gefangene 21 Wochen mehr gearbeitet haben müssen als andere Arbeitslose, um den gleichen Anspruch auf ALG I zu erhalten und dass sie also viel schneller in die Mühlen von Hartz IV geraten.
Ein Thüringer ex-Häftling hat im Februar 2012 Antrag auf ALG I gestellt. Als ihm das trotz eigentlich gegebener Anwartschaft verwehrt wurde, klagte er im März 2012 gegen die Bundesagentur für Arbeit. Das Sozialgericht Gotha entschied im Juni 2013 zugunsten der Bundesagentur für Arbeit. Der ex-Gefangene ging in Berufung. Daraufhin gab das Landessozialgericht in Gotha ihm im August 2016 Recht. Die Bundesagentur für Arbeit ist jedoch kurz darauf in Revision gegangen. Eine Grundsatzentscheidung steht nun am 12. September vorm Bundessozialgericht in Kassel aus.
Als Jenaer Solidaritätsgruppe der Gefangenen-Gewerkschaft fordern wir die Bundesagentur für Arbeit auf, ihre diskriminierende Praxis sofort zu beenden und alle Häftlinge, die durch sie in den letzten 5 Jahren benachteiligt wurden, zu entschädigen. Dazu haben wir die angekündigte Kundgebung vorm Arbeitsamt in Jena organisiert und werden den Kollegen bei seinem Prozess in Kassel durch unsere Anwesenheit solidarisch unterstützen. Darüber hinaus sehen wir hierin ein weiteres Beispiel für die Diskriminierung der Gefangenen und ex-Gefangenen durch diese Gesellschaft und ihren Staat – neben der Ausbeutung der inhaftierten Arbeiter_innen für 1-2 € die Stunde statt Mindestlohn, ihrem Ausschluss aus den Sozialversicherungssystemen (mit Ausnahme der Arbeitslosenversicherung) und dauerhaften Repression gegen Häftlinge, die sich in ihrer Gewerkschaft, der GG/BO, organisieren.
Selbstverständlich geht es uns mittelfristig nicht nur darum, dass ex-Gefangene einfach auf die gleiche Art und Weise wie alle Anderen behandelt werden. Uns ist bewusst, dass das Arbeitsamt und vor allem die Hartz-IV-Jobcenter einen zynischen bürokratischen Apparat darstellen, der einzig darauf aus ist, Arbeitslose so lange zu drangsalieren, bis sie welche Arbeit auch immer bereit sind anzunehmen. Insofern sehen wir die Forderung nach einem Ende der Diskriminierung von ex-Gefangenen als einen kleinen, aber notwendigen Schritt an und solidarisieren uns mit dem weitergehenden Widerstand von Hartz-IV-Betroffenen-Gruppen.