Corona-Update aus der JVA Chemnitz

Der folgende Beitrag wurde von der Gefangenen-Gewerkschafterin Sandra aus der JVA Chemnitz am 20. März verfasst.

Nun möchte ich Euch da draußen auf de neusten Stand bringen. Besuche sind stark eingeschränkt worden, d.h. nur noch Kinder über 16 Jahre, Eltern, Verlobte und Ehemänner, sowie Anwälte und Polizeibehörden.

Ohne Körperkontakt mit einem 2 Meter Abstand dazwischen. Der Einkauf beim Besuch ist nicht mehr zu nutzen, da alle vom offenen Vollzug nicht mehr in den Geschlossenen dürfen (Anmerk. der Abtipper: Gefangene aus dem offenen Vollzug betreiben den Kiosk im Besucher*Innenzentrum). Auch die Arztsprechstunde findet separat im offenen Vollzug statt. Freigänge dürfen sie noch nutzen, noch!

Bei uns im geschlossenen Vollzug hat man, ohne mit den Betroffenen zu sprechen, eine komplette Station geräumt und eine zweite Zugangsstation daraus gemacht. Von dieser Station, der Lockerungsstation, haben einige komplette Lockerungen und sind nun auf geschlossenen Station verlegt worden. Keiner von ihnen weiß, wie lange dies anhalten soll. Die Neuzugänge werden von allen anderen separiert gehalten, haben auch gesondert Hofgang. Aber ob sich das auch so bei Besuchen des Medizinischen Dienstes verhält ist, fraglich.

Nachdem ich von einer meiner beiden Super T‘s darüber informiert wurde, dass es in Schleswig-Holstein Vergünstigungen bei Telefonentgelten gibt, habe ich dies an die GMV (Gefangenen-Mit-Verantwortung) weitergegeben. Diese haben es dann gestern bei der Anstaltsleitung vorgetragen. Es wird sich darum gekümmert… Bleibt abzuwarten.

Die Anstalt hat vorsorglich Tabak, Kaffee und Schokolade gekauft, um Versorgungsengpässe vorzubeugen. Schön und gut. Aber was ist mit Hygieneartikeln?! Weiß die Anstaltsleitung schon etwas in Bezug auf Einkäufe durch Massak? (Anmerk. Der Abtipper: Die Firma Massak Logistik GmbH http://www.massak.de/ beliefert über 70 Knäste in Deutschland) Wie lange sind diese noch gewährleistet?! Obwohl in ganz Deutschland schon seit Tagen die Schulpflicht außer Kraft gesetzt ist, gehen wir dennoch ganz „normal“ auf Arbeit, Schule und Ausbildung. Wobei schon bei dem Ablauf der empfohlene Mindestabstand nicht gewährleistet ist. In Anbetracht der verheerenden Zahlen und Situationen außerhalb der Mauern denken wir, dass es aber nur noch eine Frage der Zeit sein wird, bis auch dies entfällt.

Natürlich sind wir froh, „noch“ ein paar Stunden aus dem Haftraum zu können. Aber zu welchem Preis?! Die Bediensteten untereinander halten nicht im Geringsten den Abstand ein. Es ist fraglich, wie die JVA gewährleisten will, dass wir uns nicht doch über einen der Blauhemden anstecken.

Zumal körperliche Durchsuchungen nach wie vor ohne Handschuhe und Mundschutz durchgeführt werden. Diesbezüglich habe ich mich nun an die Anstaltsleitung gewandt und um sofortige Abhilfe gebeten.

Denn im Vordergrund sollte nun unser und deren Gesundheitsschutz stehen. Auch habe ich mich mit einem Appell und Forderungsbrief zugleich an die Anstaltsleitung gewandt, inklusive einer Unterschriftenliste von mehr als 70 Gefangenen. Worin wir gefordert haben, endlich Antworten und das Gefühl der Sicherheit zurück zu erhalten. Denn dies ist nun wichtiger denn je.

Was mich völlig schockiert hat ist die Tatsache, dass unsere Näherei und Ausbildung Modenäherei nun 18.000 Mundschutze nur für das DRK Chemnitz nähen müssen. Folgeaufträge auch seitens des Justizministeriums folgen. Diese sind abgezählt. Natürlich sehe auch ich es, dass wir der Gesellschaft in der schweren Zeit helfen sollten. Solidarität. Aber auf der anderen Seite, wer von der Gesellschaft denkt an uns?! Wer hat solidarische Gedanken mit uns? Um der Gesellschaft zu nutzen, dafür sind wir gut genug. Ansonsten aber nichts wert für sie!

Wir alle haben Angst, vor allem auch die, welche der Risikogruppe angehören. Worunter auch ich durch eine eingeschränkte Nierenfunktion zähle. Wir haben Angst, dass wir unsere letzten Lebenstage in Haft verbringen/verbracht haben. Jeder Tag ist eine Herausforderung, voller Angst und Sorge, wie es hier mit uns weiter geht. Denn wir wissen, dass wir nichts wissen. Die Sorge um unsere Gesundheit, unsere Familien und Angehörige kommt noch hinzu.

Eine psychische Belastungsprobe mehr denn je!

Danke an alle, die gerade jetzt für uns da sind!

Danke von Herzen!

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  • Als Solidaritätsgruppe der Gefangenengewerkschaft/Bundesweite Organiation (GG/BO) in Jena unterstützen wir inhaftierte Arbeiter:innen und Gewerkschafter:innen und staatlich Verfolgte in verschiedenen Haftanstalten, vor allem in Thüringen und Sachsen. Andere Soli-Gruppen gibt es in Leipzig und Köln.