Am 7. März 2020 sind ca. 150 Leute aus verschiedenen Städten und von verschiedenen Gruppen zur Frauen-JVA Chemnitz gezogen, um den dort inhaftierten Frauen, Arbeiter*innen und Gewerkschafter*innen der GG/BO ihre Solidarität zu zeigen. So haben sie den 8. März, den internationalen Kampftag der Frau, beim Wort genommen: Sie haben den Frauen ein Zeichen geschickt, für die jeder Tag ein Kampf ums Überleben, um Würde und um die eigenen Rechte darstellt.
Die 150 Teilnehmer*innen der Demonstration kamen aus verschiedenen ostdeutschen Städten, u.a. Chemnitz, Dresden, Leipzig, Halle, Jena und Magdeburg. Die Demonstration wurden außerdem, wie auch die letzten Jahre, von verschiedenen Organisationen unterstützt: von den Solidaritätsgruppe der GG/BO, von den Antirepressionsorganisationen Anarchist Black Cross (ABC) und Rote Hilfe (RH), von feministischen und antifaschistischen Gruppen. Toll war, dass es dieses Jahr zum ersten Mal eine größere Gruppe kurdischer Mitdemonstrant*innen gab, die auch in ihrer Sprache Slogans riefen.
Die Demonstration begann am Campus der TU in der Reichenhainer Straße, anschließend ging es über die das Industriegebiet zum Besuchereingang der JVA in der Thalheimer Straße. Dabei wurden verschiedene Slogans gerufen, u.a. „Wir sind nicht alle, es fehlen die Gefangenen.“, „Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben. Lasst uns das System aus den Angeln heben!“, „Freiheit für alle Gefangenen!“, „Jin, Jiyan, Azadi“ [deutsch: Frauen, Leben, Freiheit].
Die Polizei verfolgte wohl eine Deeskalationsstrategie. Zum ersten Mal in drei Jahren bewegten sie sich in kleinen Gruppen und ohne Helme um die Demo. Nur kurz vor Ende der Demonstration gab es auf dem Rückweg Uneinigkeit, ob wir als Demonstration die Straße verlassen und auf den Fußweg gehen sollten, und die Polizei stoppte die Demo. Nach zehn Minuten konnte eine Einigung gefunden werden und die Demo ging wie geplant weiter.
Die Kundgebung auf dem Parkplatz vor dem Besuchereingang war sehr schön. Es wurden zahlreiche Grußworte von anderen inhaftierten Gefangenen verlesen: aus der JVA Chemnitz selbst, aber auch von Thomas Meyer-Falk aus der JVA Freiburg, von Lisa Dorfer aus dem offenen Vollzug aus Katalonien, von einem Gefangenen aus der JVA Tonna. Außerdem wurde Musik gespielt, die sich Gefangene gewünscht hatten, und es gab eine musikalische Fahnen-Performance für die Gefangenen. Viele Demonstrant*innen schrieben während der Kundgebung Postkarten an Gefangene, die in den nächsten Tagen in die JVA Chemnitz geschickt werden.
Wir hatten zwei Tage nach der Demo die Gelegenheit, zwei Gefangene aus der JVA Chemnitz zu besuchen. Sie berichteten, dass es natürlich einige wenige Mitgefangene gab, die die Aktion blöd und nervig fanden, dass aber die meisten Gefangenen sehr angetan davon waren. Leider hatten einige Gefangene um die Uhrzeit Hofgang und konnten direkt hinter den dicken Mauern die Redebeiträge nicht verstehen. Auch einige Schließerinnen hörten zu und waren über die kritischen Worte an die Adresse der Schließerinnen nicht gerade zufrieden.
Auf der Abschlusskundgebung am Stadler Platz erzählte ein Mitglieder der Roten Hilfe aus Südwestsachsen von den Folgen der Angriffe, die die Polizei in den ersten beiden Jahren auf die Demo unternommen hatte. Es seien fast alle Anklagen, v.a. die gut 40 Anzeigen wegen Landfriedensbruch, eingestellt worden, es gebe auch Freisprüche. Nur ein Verfahren ziehe sich noch hin. Ein Überblickstext werde anlässlich des anstehenden letzten Prozesses noch veröffentlicht. An dieser Stelle erklären wir noch einmal unsere Solidarität mit allen Betroffenen der Polizeigewalt und mit allen Angeklagten von den ersten beiden Demos!
Wir möchten ein Riesen-Danke an alle organisierenden Gruppen und an alle Teilnehmer*innen schicken. Vor allem bedanken wir uns bei den Gefangenen der JVA Chemnitz, die trotz aller Widrigkeiten nicht aufgeben und weiter für ihre und unsere Rechte einstehen!
Jena, 11. März 2020