GG/BO Solidaritätsgruppen Jena und Leipzig: Seit Monaten bemüht sich eine Gefangene, die von Psychologen u.a. aufgrund einer Agoraphobie mit Panikstörung schon mehrfach für haftunfähig erklärt wurde, um eine Haftunterbrechung zur Behandlung ihrer psychosomatischen Erkrankung. Jedoch scheint keine der zuständigen Stellen dazu in der Lage oder gewillt, der Gefangenen ihr Recht auf Therapie und Haftunterbrechung zu gewähren. Nun will sie gemeinsam mit der Gefangenen-Gewerkschaft und ihren Solidaritätsgruppen für ihr Recht kämpfen.
Die Gefangene ist seit August 2017 wieder in Haft. Von verschiedener Seite wurden ihr eine Agoraphobie mit Panikstörung attestiert. Die Panikstörung äußert sich in mehreren, mittlerweile bis zu acht Anfällen pro Tag, die durch starke körperliche Symptome gekennzeichnet sind, darunter Herzrasen, Zittern, Schweißausbrüche, Beklommenheit, zuletzt auch Verlust der Sehfähigkeit u.a. Die Panikattacken führen zu einer Agoraphobie bzw. Platzangst, d.h. die Betroffene ist dauerhaft von der Angst vor weiteren Attacken belastet und meidet Menschenmengen oder gewisse Räume. Diese Erkrankung macht ihr das Leben in Haft zur Hölle, weswegen sie in den letzten Jahren in mehreren Gutachten auch für haftunfähig erklärt wurde. Neben der Agoraphobie mit Panikstörung leidet sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und Depression.
Die Gefangene bemüht sich in Zusammenarbeit mit ihrer Anwältin daher um eine Haftunterbrechung zur Behandlung der Panikstörung. Dabei werden ihr anscheinend von allen zuständigen Stellen Steine in den Weg gelegt. Der damalige Anstaltspychologe bot ihr Medikamente zur Ruhigstellung und bei Äußerung suizidaler Gedanken den sogenannten „Bunker“ an, d.h. Isolationshaft. Die JVA-Leitung zeigte sich von Anfragen und Beschwerden der Gefangenen genervt und kann aufgrund eines offenen Verfahrens keinen offenen Vollzug gewähren. Der Gutachter des Haftkrankenhauses Leipzig hat nach einem 20-minütigen Gespräch ein fehlerhaftes Gutachten erstellt, auf Grundlage dessen die Staatsanwalt letztlich den Antrag auf Haftunterbrechung abgelehnt hat.
Bemerkenswert an diesem Fall ist, dass die Betrugsdelike, die zur Inhaftierung führten, Resultat einer Kaufsucht sind, welche wiederum eine Folge schwerer Traumatisierung, welche die Gefangene von jüngsten Kindheitsjahren an erlitten hat. In einer Gesellschaft, in der Frauenrechte angeblich groß geschrieben werden, wird nun einer jungen Frau, die ihr Trauma über Kaufsucht psychologisch verarbeitet hat und die sich seit Monaten um Haftaufschub zwecks Therapie bemüht, von allen Seiten Hilfe verweigert. Stattdessen wird sie in den Knast gesteckt, wo ihr wahlweise Medikamente oder „Bunker“ angeboten werden.
Diese Behandlung ist symptomatisch für einen Strafvollzug, der traumatisierte und kranke Menschen einsperrt, der sie noch kränker macht und weiter traumatisiert und ihnen letztlich keine oder nur ungenügende Therapiemöglichkeiten bieten kann und will. Die medizinische Unterversorgung der Gefangenen ist systematisch und der beschriebene Fall ist bei weitem kein Einzelfall. In den letzten Jahren haben Mitglieder der Gefangenen-Gewerkschaft unterstützt von den Solidaritätsgruppen auf zahlreiche dramatische Einzelfälle hingewiesen.
Als Solidaritätsgruppen der Gefangenen-Gewerkschaft stellen wir uns hinter die Forderungen der Gefangenen nach Haftunterbrechung zwecks Therapie. Wir appellieren an die zuständigen Stellen und die Gesellschaft, diese Quälerei endlich zu beenden, der betroffenen Gefangenen eine würdige Behandlung zu ermöglichen und damit Schlimmeres zu verhindern!
Pressekontakt zur Rechtsanwältin wird auf Anfrage hergestellt.
Jena & Leipzig, 11. Juni 2018