Als Solidaritätsgruppe Jena der Gefangenen-Gewerkschaft haben wir schon im April 2018 über den Widerspruch und die Petition eines ex-Gefangenen aus der JVA Untermaßfeld berichtet. Er wehrt sich dagegen, dass ihm die Kosten von 3500€ für ein externes psychologisches Gutachten im Rahmen der Entlassungsvorbereitung aufgebürdet werden. Trotz laufenden Petitionsverfahrens hat der Staat ihm jetzt eine Gerichtsvollzieherin auf den Hals geschickt.
Wir haben in Bezug auf die Rechnung schon damals festgehalten: „Die Behörden halten trotz Widerspruchs an der Zahlung der Rechnung fest. Das ist eine dreifache Frechheit. Denn erstens wurde der Gefangene nicht im Vorfeld über die Kosten informiert. Weiterhin wird so, wie der ex-Gefangene in seiner Petition selbst feststellt, die Zweiklassengesellschaft im Strafvollzug ausgebaut, da kostenaufwändige Gutachten zwecks vorzeitiger Haftentlassung so zu einem Luxusgut für reiche Gefangene werden. Und drittens stellt sich die Frage, wie jemand, der heute als Maler und Lackierer zum branchenüblichen Lohn arbeitet, diese Geld eigentlich bezahlen soll.“
Mitte letzter Woche, am 27. Juni 2018, kam nun eine Gerichtsvollzieherin bei ihm zuhause vorbei. Da er abwesend war, hinterließ sie eine Notiz. Wenn sie ihn das nächste Mal nicht zuhause antreffe, werde sie in die Wohnung eindringen und entsprechende Wertgegenstände zur Schuldentilgung einziehen. Dieses erpresserische Vorgehen wurde eingeleitet, obwohl der ex-Gefangene sich auf den vorgesehenen Wegen gegen die ungerechte Zahlungsaufforderung wehrt. Er hat Widerspruch eingereicht und im März 2018 eine Petition beim Petitionsausschuss des Thüringer Landtags eingereicht.
Mit der Zahlungsaufforderung für das psychologische Gutachten versucht die Thüringer Justiz, die Haftkosten auf die Gefangenen umzulegen, die dort gegen ihren Willen eingesperrt sind. Schon durch die Arbeit der Gefangenen in den Eigenbetrieben der Anstalten wie der Küche oder der Reinigung spart der Staat Personalkosten, er umgeht den Mindestlohn und zahlt ein bis zwei Euro die Stunde. Auch durch die Arbeit der Gefangenen in den Wirtschaftsbetrieben der Anstalten wie z.B. der Tischlerei oder Schlosserei nimmt der Staat Geld ein, denn er verkauft die Produkte an staatliche Behörden oder auf dem freien Markt. Darüber hinaus verleihen viele Anstalten die Arbeitskraft ihrer Gefangenen an externe Unternehmen und spielen so weitere Einnahmen ein. Zu diesen Arbeiten sind Gefangene nach § 29 ThürJVollzGB verpflichtet, d.h. über die Zwangsarbeit der Gefangenen spart der Staat Personalkosten, generiert Einnahmen und schafft eine Sonderwirtschaftszone für externe Unternehmen. Gefangene, die sich in einem freien Beschäftigungsverhältnis befinden, beispielsweise im offenen Vollzug, müssen nach § 72 Abs. 1 ThürJVollzGB einen Haftkostenbeitrag zahlen.
Der Staat zwingt die Gefangenen kurz gesagt zu verschiedenen Formen von Arbeit und schickt Ex-Gefangenen Rechnungen für Abläufe des Strafvollzugs, um so die die Haftkosten auf die Gefangenen umzulegen. Das sind für viele Menschen also Gerechtigkeit und Resozialisierung: weggesperrt werden, ausgebeutet werden, dafür noch extra-Rechnungen zahlen und so mit Schulden im vier- oder fünfstelligen Bereich wieder ins Leben starten. Gegen diese Behandlung durch den Staat wehren sie sich aber. Wie der Thüringer ex-Gefangene organisieren sie sich in der Gefangenen-Gewerkschaft, fordern Mindestlohn, Sozialversicherung und Gewerkschaftsfreiheit und gehen gegen schikanöse Zahlungsaufforderungen vor.
GG/BO-Soligruppe Jena, Juli 2018